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Madhavi Guemoes: „Yoga fing erst an, als ich Kinder hatte“

Madhavi von Kaerlighed im Interview

Yoga Mama Madhavi Guemoes  im Interview übers Mamasein, Meditation und Makrobiotik mit dem Mama Yoga Blog MOMazing.

Werbung – Transparenz: Dieser Beitrag enthält einen Affiliate-Link und ein Link zur Homepage meiner Interview-Partnerin.

Madhavi Guemoes von Kaerlighed ist wahrscheinlich jedem Yogi zwischen Amrum und den Alpen, der neben der Bhagavad Gita gerne in Blogs stöbert, ein Begriff. Die Yogalehrerin, Autorin und zweifache Mutter verplemperte nach eigener Aussage mehrere Jahre in Indien im Kopfstand und steht wie keine zweite für die Themen Makrobiotik und Meditation. Mit ihren klugen und und messerscharfen Texten inspiriert sie, rüttelt auf und spaltet regelmäßig die Yogi-Nation.
Ich traf die Osho-Schülerin nach einer von ihr angeleiteten Hara-Meditation während der Yogi Days in Hamburg zum Interview. Im Gespräch erklärt die Wahl-Berlinerin, warum Muttersein nicht niedlich ist, wir unsere Männer nicht in den Kreißsaal zerren sollten und warum man sich trotz makrobiotischer Ernährung die Nägel lackieren darf …


Liebe Madhavi, Yogi sein und Kindererziehen – passt das zusammen?

 

Die Idee, dass ein Yogi immer ja sagt und nett ist, sorry, das ist eine merkwürdige Vorstellung. Meine Yogalehrer damals in Indien waren alle nicht nett. Da hast du auch mal eine geklatscht gekriegt. Das ist jetzt nicht das, was wir hier machen müssen. Aber ich finde, es ist alles zu sehr in eine rosa Blubberblase gefüllt. Yogalehrer sollten freundlich sein, aber ein Lehrer ist nicht immer nur nett. Wenn ich einen Lehrer habe, der immer nur nett ist, kann er mich nicht führen, tut mir leid. Das ist genau wie mit Kindern.

 

Wie sieht deine Kindererziehung aus?

 

In den ersten sechs Jahren war ich sehr streng mit meinen Kindern. Aber auch sehr liebevoll. Ich habe sie lange gestillt und getragen. Wir haben alle in einem Bett geschlafen. Bonding gemacht, ich habe wirklich alles getan. Ich kann meine Kinder heute aber auch mit den Augen führen. Wenn ich einen gewissen Blick habe, wissen sie: nein! Da muss ich nicht viel sagen. Sie sind total frei erzogen, aber auch super-gut. Sie machen auch Scheiße, klar. Aber sie können auch diskutieren und wissen, wie man sich benimmt. Da muss man in den ersten Jahren schon was machen. Immer ja sagen, das bringt einfach nichts. Auch im Leben nicht.

 

Wozu hast du in Sachen Erziehung nein gesagt?

 

Ich bin überhaupt kein Fan von Anti-Autoritärer Erziehung. Aber davon, dass wir uns begegnen, und dass wir uns zuhören und achten. Meine Kinder dürfen nicht alles. Und wenn ich nein sage, dann ist auch nein. Wir haben eine ganz innige, tiefe Beziehung. Ich sehe ganz viele Kinder, die super verzogen sind, da habe ich keine Lust drauf. Ich muss meine Bedürfnisse ausdrücken, und sie drücken ihre Bedürfnisse aus. Ich bin sehr stolz, weil ich einfach keine Arbeit mit meinen Kindern habe. Ich kann mich komplett auf sie verlassen. Sie sind sehr wach.

 

 

Und das, obwohl sie noch relativ klein sind …

 

Meine Kinder sind neun und elf. Die ersten sieben, acht Jahre waren kein Zuckerschlecken. Mir war sechs Monate während beider Schwangerschaften komplett schlecht. Schwangerschaft war für mich insgesamt kein Spaziergang. Mein Sohn hat die ersten drei Jahre gar nicht geschlafen. Wir haben alles mitgenommen: Kolliken, jeder Zahn war fast eine Lungenentzündung. Ich war mehr beim Arzt als auf der Yogamatte. Ich habe meine spirituelle Praxis zwar beibehalten, aber alles adaptiert.

Yoga Mama Madhavi Guemoes  im Interview übers Mamasein, Meditation und Makrobiotik mit dem Mama Yoga Blog MOMazing.

„Man hat viele romantische Vorstellungen, wie eine Geburt zu sein hat.“

Hat das Muttersein für dich auch eine spirituelle Dimension? In deinen Blog-Posts spielt das eher eine untergeordnete Rolle …

 

Ich schreibe selten über meine Kinder, weil es viele Menschen gibt, die keine Kinder kriegen können und viele, die keine haben wollen. Ich finde, es ist ganz toll, Kinder zu haben, aber ich finde nicht, dass man Kinder haben muss. Man kann auch ultra-spirituell sein, wenn man keine Kinder hat. Jetzt zu deiner Frage: Man geht einfach in eine andere Dimension. Es geht nicht nur noch um dich. Ich war sehr fixiert auf mich, meine Spiritualität, meine Erleuchtung, mein Leben und dachte: „Oh Gott, ich kann in der Schwangerschaft keine dynamische Meditation mehr machen. Wie soll ich das überleben?“ Spiritualität geschieht eher, als das man etwas dafür macht.

 

Was ist die wichtigste Lektion, die du bisher gelernt hast?

 

Muttersein ist nicht niedlich, Kinder sind nicht immer niedlich und auch Yogisein nicht. Die Vorstellung sollte man los lassen. Bei meinem Mann und mir haben immer alle gesagt: Ihr kriegt bestimmt super-entspannte Kinder, aber es war genau das Gegenteil. Ich habe keine Bilderbuch-Schwangerschaft gehabt und keine Bilderbuch-Babys. Es war aber das, wovon ich lernen konnte. Yoga fing erst an, als ich Kinder hatte. Ich habe vorher jeden Tag meditiert und stundenlang geübt. Und plötzlich ist da einerseits dieses Bhakti, sich hinzugeben und andererseits die Frage: Wo bleibe ich? Alles nicht so einfach, aber es geht, man muss es wollen. Manchmal habe ich auch einfach meditiert, wenn das Kind geschlafen hat. Nur eine Minute dann. Oder meine Meditation war eine Gehmeditation. Es kommt aber alles wieder im Leben. Das denkt man nicht im ersten Jahr.

 

Manche Mütter erzählen: Meine Geburt war wie eine Meditation. Würdest du das so unterschreiben?

 

Man hat viele romantische Vorstellung, wie eine Geburt zu sein hat. Letztendlich ist eine Geburt dann immer komplett anders. Mein erstes Kind war eine Hausgeburt. Ich war komplett alleine, habe alle rausgeschickt und zehn Stunden nur getanzt und auch nie geschrien.

 
Kein einziges Mal?

 

Nur mal kurz am Anfang als eine Wehe kam. Dann habe ich gemerkt: Wenn ich das mache, habe ich nicht lange Energie. Ich bin sehr nach innen und mitgegangen. Eine Freundin von mir hat gesagt, eine Wehe dauert zehn bis zwölf Atemzüge und diese Information hat mir sehr geholfen. Ich habe mich mit etwas verbunden, was sehr göttlich war. Aber es war auch meine einzige Möglichkeit, weil das Kind nicht raus wollte. Ich habe teilweise gedacht, ich treibe den Teufel aus, weil mein Sohn einfach nicht in den Geburtskanal rein wollte. Letztendlich habe ich mich dem hingegeben. Das hört sich jetzt doof an, aber es war wie ein Orgasmus, ohne einen zu haben. Du gibst dich dieser Naturgewalt hin, das ist etwas sehr schönes. Ein Verbinden mit dem Göttlichen. Eine Meditation würde ich es aber nicht nennen.

 

War die Geburt deiner Tochter auch eine Hausgeburt?

 

Meine Tochter lag mit den Füßen nach unten im Bauch, da dachte ich: Gucken wir lieber mal im Krankenhaus, obwohl es rückblickend total easy war.

Yoga Mama Madhavi Guemoes  im Interview übers Mamasein, Meditation und Makrobiotik mit dem Mama Yoga Blog MOMazing.

„Du kannst Leid erfahren, aber du musst nicht mitgehen.“

Wie lief diese Geburt denn ab?

 

Zwei Wochen vorm errechneten Geburtstermin habe ich überlegt: Gehe ich jetzt zum Ashtanga-Yoga oder zum Kundalini? Ich habe mich für Kundalini entschieden und während dessen gedacht: Die Senkwehen sind aber diesmal echt krass. Nach der Yogastunde bin ich mit dem Fahrrad nach Hause, habe ich mich schlafen gelegt – bis die Fruchtblase platzte. Mir ging durch den Kopf: Scheiße, denn das Baby lag ja falsch rum und ich hätte nur liegend mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gekonnt. Ich wollte jetzt aber kein großes Ding machen, bin ins Krankenhaus und dann ist sie auch schon rausgesprungen. Das hätte aber auch beim Yoga passieren können. (lacht)

 

Wenn man dir zuhört, hört sich das alles sehr leicht an.

 

Die Geburten waren eine krasse Erfahrung. Sie haben mich sehr wachsen lassen. Du kannst Leid erfahren, aber du musst nicht mitgehen. Das hat mich gekräftigt fürs Leben. Jedes Mal wenn ich beim Arzt bin und irgendwas ist, denke ich: Du hast zwei Kinder gekriegt ohne PDA, das wirst du jetzt durchstehen. Es ist die Einstellung, wie man rangeht. Klar tut es weh, es kommt aber darauf an, wie du den Schmerz wahr nimmst. Es kommt immer im Leben darauf, wie du etwas siehst.

Was würdest du werdenden Müttern gerne mit auf den Weg geben?

 

Ich würde so wenig Kurse wie möglich belegen. Ich habe vorher keinen einzigen besucht, sondern viele spirituelle Bücher aus den Siebzigern gelesen. Es ist wichtig, sich selbst vertrauen. Der Körper weiß genau, was er tut. Man sollte sich selbst keine Angst machen und den Partner in Ruhe lassen und nicht so viel erwarten. Ich finde auch dieses ständige „Mein Mann muss dabei sein“ total hochgegriffen. Wir haben so viele Erwartungen an den Mann, trauen ihm aber auch nichts zu. Dieses ganze Emanzipations-Gedöns, auch wenn das Kind dann da ist. Ich habe ihn komplett eingebunden und nicht vermittelt: Mama kann es besser. Das ist Bullshit.

 

Bitte noch mehr Mama-Bullshit …

 

Ich würde meine Zeit nicht mit Müttern verschwenden, die mir nicht gefallen und generell nicht zu viel erwarten. Nach der Geburt muss keiner einen Beach-Body haben… Es kommt alles. Genießt die Babys, sie werden so schnell groß. Außerdem finde ich Tragen sehr wichtig, damit macht man sich die beste Zeit und kann auch mal bummeln gehen. Und Familienbett finde ich ne super Sache!

 

Genau wie Meditation. Wie hast du deine Kinder da eingebunden?

 

Es ist immer gut, ein gutes Vorbild zu sein und der Rest kommt von alleine. Sie sind eh so spirituell. Sie kriegen es ja mit, es ist also nicht gewollt. Alles, was gewollt ist, ist nicht gut. Ich habe sie nie gezwungen, aber ich habe viel Kinderyoga mit ihnen gemacht und sie haben einen Sinn dafür. Mein Sohn zieht sich öfter zurück und sagt: Ich meditiere. Das ist ganz süß. Aber natürlich sind das dann nur fünf Minuten, immer wenn es gerade passt. Manchmal sage ich: Ich meditiere und frage dann, habt ihr Lust? Meistens abends um Sachen loszulassen.

Yoga Mama Madhavi Guemoes  im Interview übers Mamasein, Meditation und Makrobiotik mit dem Mama Yoga Blog MOMazing.

„Man muss erstmal durchs Dogma gehen, um dann loslassen zu können.“

Ein weiteres großes Thema, für das du stehst, ist Makrobiotik. Wie bist du zu dieser Ernährungsform gekommen?

 

Ich war 19 und habe mich schon vegetarisch ernährt und meditiert. Irgendwie fühlte ich mich aber nicht so wohl und wollte noch mehr Klarheit. Dann habe ich auf dem Flohmarkt ein Buch gefunden, es hieß „Zen-Makrobiotik“, war total zerfleddert und super-dogmatisch. Irgendwie hat aber der Funke übergeschlagen!

 

Was genau fasziniert dich an Makrobiotik?

 

Wenn man sagt, man ernährt sich vegan oder vegetarisch, heißt das noch lange nicht, dass man sich gesund ernährt. Es geht darum, wieder in eine Balance zu kommen. Den gesunden Menschenverstand einzuschalten. Zu schauen: Was führe ich meinem Körper zu? Nämlich am besten Gemüse, das aus unseren Gefilden kommt.

 

Was landet genau auf deinem Teller?

 

Ein makrobiotischer Teller beinhaltet Getreide, eine Eiweiß-Quelle, Gemüse, Algen und Pickles, um den Basen-Haushalt zu aktivieren. Wir essen oft zu sehr in Extremen, deshalb muss der Körper probieren, sich einzupendeln. Deswegen fühlen wir uns oft auch so unausgeglichen. Wir sollten versuchen, dass das, was wir essen, eine ausgeglichene Energie hat.

 

Können deine Kinder etwas damit anfangen?

 

Meine Kinder sind damit aufgewachsen, sie lieben es und sind sehr ausgeglichen dadurch. Aber bei uns gibt es auch mal Zucker. Meine Kinder sind keine Aliens (lacht). Das ist schon in den ersten Jahren so gewesen, dann habe ich aber gedacht: So komm ich auch nicht weiter. Ich war sehr dogmatisch. Das ist aber wie mit allem: Man muss erstmal durchs Dogma gehen, um dann loslassen zu können. Wenn man etwas nicht gelebt hat, kann man auch nicht wissen, wie man es los lässt.

 

Stimmt. Bald bringst du sogar ein eigenes Makrobiotik-Buch heraus …

 

Ich wollte einfach mal ein anderes Verständnis von der Makrobiotik bringen. Die meisten Bücher sind sehr fad und aus dem Japanischen übersetzt. Es ist eine sehr harte Sprache, wenn man es übersetzt. Ich möchte, dass es simpel und schön ist und zeigen, dass man sich auch die Haare färben oder die Nägel lackieren darf, wenn man sich makrobiotisch ernährt. Man muss nicht großartig sein Leben verändern, sondern sich fragen: Was kann ich dazugeben, was mich erfüllt? Deshalb heißt das Buch auch „In Fülle leben“. Man braucht nicht viel zu haben, um in Fülle zu leben.

 

Vielen Dank für das Gespräch, liebe Madhavi!

Buch "In Fülle leben" von Yoga Mama Madhavi Guemoes. Im Interview übers Mamasein, Meditation und Makrobiotik mit dem Mama Yoga Blog MOMazing.

Madhavis Buch Makrobiotik: In Fülle leben (Werbelink) kommt am 18. September raus, kann aber jetzt schon vorbestellt werden!

Mehr von Madhavi:

www.kaerlighed.de

 Fotos: Maria Schiffer

 

 


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